Blasmusik in Corona-Zeiten (?)

Es ist ein alter Musiker-Witz: Was ist schlimmer als eine Querflöte? – Richtig, zwei Querflöten! Das nimmt Bezug auf den Umstand, dass die Intonation einer Querflöte einerseits recht schwer ist und Querflöten andererseits aufgrund ihrer hohen Lage aus dem Gesamtklang eines Orchesters meist gut heraus zu hören sind. – Die Corona-Zeiten führen nicht nur zu zahlreichen Einschränkungen; sie vermitteln zum Teil auch völlig neue und zum Teil unerwartete An- und Einsichten. So haben etwa Wissenschaftler des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Münchener Universität der Bundeswehr herausgefunden, dass die Querflöten am gefährlichsten sind – jedenfalls in Bezug auf den „ballistischen Speichelausstoß“ und die Strömungsbewegungen beim Spielen des Instruments! Von diesem Ergebnis war auch Vize-Dirigent Julian Wittig überrascht:

Macht sich viele Gedanken darum, wie Proben und Auftritte von
Blasorchestern in Corona-Zeiten gestaltet werden könnten: Vize-Dirigent Julian Wittig. –
Foto: privat.

„Ich war ja über zehn Jahre auch Dirigent des Jugendorchesters, aber die jungen Querflötistinnen in der ersten Reihe hatte ich dabei nie als eine Gefahr gesehen. Junge Querflötisten hätte ich vermutlich ebenso wenig als Gefahr angesehen, nur ist das Querflötenregister seit Jahrzehnten im Musikverein 1929 Ketsch fest in weiblicher Hand.“ Die verschiedenen aktuellen Untersuchungen, so der sieben großen Berliner Orchester in Zusammenarbeit mit der Charité, des Freiburger Instituts für Musikermedizin und der Bamberger Symphoniker, haben alle einen ernsten Hintergrund, geht es doch unter dem Stichwort „Aerosole“ darum, festzustellen, wie gefährlich Musizieren in der Corona-Krise ist. Aus den Ergebnissen werden wiederum Empfehlungen abgeleitet, unter welchen Bedingungen z.B. Proben und Auftritte künftig wieder möglich sein können. „Für Blasorchester sieht das derzeit nicht gut aus,“ so Wittig, „außer dem Schlagwerk und dem E-Bass haben wir schließlich nur Blasinstrumente im Einsatz. Mit entsprechenden Abstandsregeln bräuchten wir für Proben mit 50 Musikern die Rheinhalle – und zwar nicht die dortige Bühne, sondern das Parkett! Von den damit verbundenen akustischen Problemen einmal ganz abgesehen.“ Proben und Auftritte gibt es beim Musikverein schon seit Einführung der Corona-Maßnahmen Mitte März nicht mehr und bisher ist noch nicht absehbar, wann sich dies wieder ändern könnte. Die Musiker üben natürlich zuhause, aber die gemeinsame Probearbeit im Orchester und die Auftritte vor Publikum sind etwas ganz anderes und fehlen vielen Musikern sehr. Wittig und Dirigent Patrick Wewel haben sich schon gemeinsam Gedanken darüber gemacht, wie eine Wiederaufnahme der Probetätigkeit in „Kleingruppen“ vielleicht aussehen könnte. Noch aber ist selbst das „Zukunftsmusik“ und aktuell noch nicht zulässig. Wittig denkt hier besonders auch an die Kinder und Jugendlichen, die ihm als Grundschullehrer sehr am Herzen liegen: „Die Kinder brauchen den persönlichen Austausch und das Miteinander – in der Schule, im Alltag und in der Freizeit, wie bei der Musik oder im Sport. Bei den Erwachsenen ist das aber durchaus ähnlich.“ Daher hofft Wittig, dass der Musikverein 1929 Ketsch möglichst bald wieder den Musikerinnen und Musikern ein Angebot unterbreiten kann, mit dem unter Beachtung der Corona-bedingten Einschränkungen langsam wieder ein Weg in Richtung einer Normalität gefunden werden kann. „Ob es eine Vor-Corona-Normalität überhaupt wieder geben wird, ist nicht klar. Sicher aber wird es ein weiter Weg!“